3 Fragen an Jörg Mangold 

Im Gespräch mit Christa Spannbauer 2018 über Mindful Compassionate Parenting erklärt Jörg Mangold an wen sich diese Fortbildung richtet, was wir von seinem in Kürze erscheinenden Buch erwarten können und worin seiner Ansicht nach der dritte wichtige Schritt in der Achtsamkeitspraxis besteht.


Jörg, du hast ein eigenes Fortbildungsmodul „Mindful Compassionate Parenting“ entwickelt. Kannst du etwas über den Inhalt dieser Fortbildung sagen und an wen sie sich richtet?

Die Fortbildung wendet sich an alle, die mit Eltern und Familien arbeiten, sei es in Beratung oder Therapie, aber auch an Achtsamkeits-LehrerInnen, die sich mit ihren Angeboten speziell an Eltern wenden wollen.

Achtsamkeit, Selbstfreundlichkeit und Selbstmitgefühl stellen für Eltern einen besonderen Wert und ein effektives Gegenmittel zu Verunsicherung, Optimierungsdruck und Stress in der Erziehung dar. Sie helfen auch, den eigenen Herzensweg als Vater oder Mutter zu entwickeln.

Meine Erfahrungen aus 25 Jahren Ehe mit vier Kindern in einer Patchwork-Familie sowie aus 25 Jahren als Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeut bringe ich in diese Ausbildung ebenso ein wie meine Ausbildungen als zertifizierter Lehrer für MBSR, MBCL, MSC, Mindful Parenting und PNT. Aus all dem habe ich ein Programm zum „Elternsein mit Achtsamkeit und Selbstmitgefühl“ entwickelt. Die Fortbildung ist sehr erfahrungsbasiert mit elternspezifischen Themen und passenden Übungen für Eltern. Als Basisfortbildung führt sie in die Arbeit mit Eltern ein. Die Teilnahme an der Fortbildung setzt keine Vorerfahrung in Achtsamkeit voraus, ist aber natürlich hilfreich.

In Kürze erscheint dein Buch „Wir Eltern sind auch nur Menschen – Selbstmitgefühl zwischen Säbelzahntiger und Smartphone”. Was ist die grundlegende These des Buchs und was können die Leser und Leserinnen vom Inhalt erwarten?

Als Eltern sind wir besonders in Gefahr, in Optimierungsfallen zu geraten und uns in der Sorge um unsere Kinder ständig zu überfordern. Uns treibt der nur allzu verständliche Herzenswunsch um, alles so gut wie möglich zu machen. Zudem fordert die Welt, in der wir leben, hohe Leistungen und es scheint immer schwieriger zu werden, die eigenen Ansprüche an Lebensgestaltung, Berufsweg, Freizeit mit Familie, Elternrolle und Partnerschaft in Einklang zu bringen. Die Zahl der hilfesuchenden Eltern und Kinder mit seelischen Problemen steigt stetig. Da entsteht der Wunsch nach mehr Gelassenheit, nach weniger Stress und mehr „Qualitätszeit“, die wir mit unseren Kindern und mit uns selbst verbringen wollen. Eine spezielle Achtsamkeit und viel Selbstmitgefühl im Elternsein sind hierfür hilfreich und führen zu einer Art weisen Selbst-Vertrauen in guten wie in schwierigen Zeiten.

Die Inhalte des Buchs gründen auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Es geht dabei nicht um neue Rezepte à la „Wie mache ich es genau richtig mit meinem Kind“. Die Leser können griffige Erklärungen dafür erwarten, warum wir Eltern so ticken, wie wir ticken und warum unsere Kinder so ticken wie sie ticken. Wir alle verfügen über ein Gehirn, das schon lange geformt wurde, bevor wir auf die Welt gekommen sind. Ich zeige in dem Buch, wie wir bis heute immer wieder in falschen Alarm geraten, wie wir auf Stress mit Mustern unseres „Dino-Gehirns“ reagieren und wie wir das verändern können. Es gibt konkrete Anregungen für Selbstfürsorge, wie wir Grenzen setzen, Konflikte lösen, Freude und Dankbarkeit kultivieren können. Viele praktische Übungen und Selbstreflektionen laden zur konkreten Anwendung im Alltag ein. Und zur Vertiefung wird das 8-Wochen-Programm „Mindful Compassionate Parenting“ mit geleiteten Meditationen, kostenlosen Audio-Dateien und Impulsen für die Woche vorgestellt.

Der bekannte US-amerikanische Neuropsychologe Rick Hanson hat dich persönlich autorisiert, sein Kursprogramm „Positive Neuroplastizität (PNT) – Das Gute tief in sich aufnehmen“ zu unterrichten. Du selbst siehst in der Kultivierung des Positiven einen wichtigen dritten Schritt nach Achtsamkeit und Selbstmitgefühl. Kannst du dies genauer erläutern?

Am besten finde ich das in Rick Hansons Bild vom „Garten des Geistes“ ausgedrückt. Es geht um drei Stufen: Sein, mit dem was ist. Das Negative verringern. Das Positive vermehren. In seiner Gartenmetapher ist das: Beobachten, Unkraut jäten, Blumen säen und pflanzen.

Auf den ersten Blick scheint vor allem der erste Schritt das Gebiet der Achtsamkeit zu sein. Selbstmitgefühl hilft im zweiten Schritt sehr, das Negative, das wir mit uns tragen und gegen uns richten, zu verringern. Jetzt braucht es aber über diese „Bewältigungsschritte“ hinaus auch noch ein aktives Anreichern des Guten, der eigenen Ressourcen und Stärken. Dies gelingt mit Positiver Neuroplastizität: Die guten Erfahrungen, die wir machen, zu einem Teil von uns werden zu lassen. Und damit zum Nährboden für weitere Entfaltung.

Dahinter steht die Erkenntnis aus Neurobiologie und Evolutionspsychologie, dass wir einen Negativ-Bias des Gehirns haben. Wir speichern negative Ereignisse wesentlich stärker und nachhaltiger ab als positive. Rick Hansons Arbeit ist hier eine wichtige Hilfestellung, dem etwas entgegenzusetzen: aktiv an der inneren Sicherheit zu arbeiten und sie anzureichern, aktiv wahrzunehmen, was alles schon da ist, sowie die Verbundenheit aktiv zu pflegen. Das ist der dritte Schritt, das „Säen und Pflanzen der Blumen“ im Garten unseres Geistes. Im Eltern-Buch und in der Fortbildung „Mindful Compassionate Parenting“ hat dieser dritte Schritt eine besondere Bedeutung im Aufbau von Ressourcen, Stärken und Vertrauen..